Blick auf das Pfeifenwerk
Der Weg zur neuen Orgel
Eine elektronische Orgel mit Blindpfeifenprospekt diente
der Pfarrgemeinde seit bald 40 Jahren als
Begleitinstrument für die Gottesdienste.
Aufgrund der knappen finanziellen Möglichkeiten der
Pfarrei, schlug der Erzbischöfl. Orgelinspektor, Herr
Mathias Kohlmann, eine Disposition vor, deren
Klanggestalt an kleine Instrumente des berühmten Pariser
Orgelbauer Aristide Cavaillé-Coll angelehnt sein sollte.
Ziel war es, trotz der anfangs beschränkten Registerzahl
den großen Kirchenraum in Eutingen ausreichend füllen zu
können.
Als in der Vorplanungsphase weitere Finanzmittel zur
Verfügung standen, konnte die Disposition auf die
endgültige Registerzahl erweitert werden.
Das
klangliche Konzept
Der Name Cavaillé-Coll
übt in Deutschland immer noch
eine besondere Faszination aus. Wohl vor allem deshalb,
weil die deutsch-französischen Ressentiments im 19.
Jahrhundert verhinderten, dass Instrumente dieses
genialen Orgelbauers nach Deutschland gelangten. Während
die größeren Instrumente Cavaillé-Colls in den letzten
25 Jahren durch zahlreiche Veröffentlichungen und
Ton-Einspielungen im Mittelpunkt des Interesses standen,
führten die kleinen Chororgeln bzw. Hauptorgeln in
kleineren Kirchen weiterhin ein Schattendasein. So ist
es mittlerweile schwierig geworden, kleinere original
erhaltene Instrumente Cavaillé-Colls ausfindig zu
machen. Bei unserer Recherche sind wir in
Colombey-les-Belles und Plainfaing in Frankreich fündig
geworden, zwei Instrumente, die wir ausgiebig untersucht
haben. So entwickelte sich aus der ursprünglich 12
Register umfassenden Disposition die endgültige Größe
mit 20 Registern Stück für Stück, immer im engen
Zusammenhang mit der technischen Konzeption.
Das
technische Konzept
Ein früherer Lehrmeister im Elsass gab mir einmal
folgendes mit auf den Weg: "Um ein hervorragendes
Instrument zu erbauen, ist die Berücksichtigung von 1000
Details erforderlich. Wenn es einem lediglich gelingt,
nur einen Teil davon umzusetzen, gibt es eben nur eine
durchschnittliche Orgel."
Die Voraussetzungen in Eutingen waren rükblickend
ideal.
Die großzügigen Platzverhältnisse auf der Empore
ermöglichten einen gut zugänglichen Aufbau der
technischen Anlage. Besonderes Augenmerk wurde auf eine
Windversorgung gelegt, die einen stabilen Wind mit
weicher Regel-Charakteristik aufweist. Die Balganlage
weist insgesamt fünf Bälge auf. Vorbalg und Pedalbalg
sind als Schwimmerbälge ausgeführt. Für das Grand Orgue
sind ein Parallelfaltenbalg, für das Récit zwei
Parallelbälge konzipiert worden. So kann der Diskant im
Récit separat mit einem höheren Winddruck versorgt
werden, was vor allem den drei Zungenregistern zugute
kommt. Um die Spielart nicht mit hohen Tastendrücken zu
beinträchtigen und die Kanzellen von "Windfressern" zu
entlasten, wurden "moteurs pneumatiques" nach Vorbild
Cavaillé-Colls für folgende Register gebaut: Montre 8'
C-H, Bourdon 16' C-h° und Flûte 16' C-H. Balancierbälge
für das Récit runden die Maßnahmen für eine
leichtgängige Traktur ab.
Als Besonderheit sollte noch die Einrichtung eines
Einführungstritts ( jeux de combinaison ) erwähnt
werden, die den Wind für einen Teil der Kanzelle
freigibt. Die Register Nazard2 2/3', Quarte 2', Tierce 1
3/5', Trompette 8' und Basson-Hautbois 8' können als
freie Kombination vorbereitet und per Tritt gemeinsam
eingeschaltet werden. Somit lässt sich die Beschränkung
auf eine rein mechanische Registertraktur, ohne
elektrische Setzeranlage, besser verschmerzen.
Abschließend sei hier noch ein weiteres wichtiges Detail
genannt, das im französischen Orgelbau jeder Epoche ein
selbstverständliches Prinzip war, in Deutschland oft
unbeachtet bleibt: Praktisch alle Pfeifen auf der
Windlade stehen ohne jegliche Verführungen direkt über
der Kanzellenbohrung. Lediglich die großen Holzpfeifen
und die Prospektpfeifen sind abgeführt. Dies bietet
beste Voraussetzungen für eine gute Intonation, ohne
störende Nebengeräusche.
Die äußere Gestaltung der Orgel
Die
äußere Gestaltung der Orgel beschäftigte alle
Beteiligten sehr lange. Anfängliche Entwürfe eines
historisierenden Prospekts wurden bald verworfen, ebenso
Vorschläge, die Teile von Altar und der von einem
Künstler gestalteten Scheibe hinter dem Altar der 1961
erbauten Kirche aufnahmen.
So fand man schließlich zu einer schlichten Lösung, bei
der das Untergehäuse mit einer Farbfassung in Perlmutt
und der Oberbau der Orgel nur mir Pfeifen ausgestattet
sein sollte. Das Seitengehäuse wird hauptsächlich durch
die rechts und links flankierenden Pfeifen von Flöte 16'
und Bourdon 16' gebildet.
Spieltischbereich umrahmt von Farbfassung in Perlmutt
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