Der Orgelbauer

Ein uralter Beruf

Schon Hero, ein griechischer Schriftsteller aus dem 2. Jahrh.v.Chr. berichtet über den Bau einer Orgel mit Pfeifen in der damals griechisch besiedelten Stadt Alexandrien. Die Orgel hatte eine bis mehrere Reihen von Pfeifen, für die Winderzeugung war eine Luftpumpe erfunden worden, für die Komprimierung der gesammelten Luft wurde Wasserdruck eingesetzt, daher nannte man das Instrument "hydraulis", was Wasserorgel bedeutet. Die Pfeifen wurden mit einer Art Klaviatur angespielt. Es wird auch der Erbauer genannt: Ktesibios, von Beruf eigentlich Barbier.
Im Römischen Reich diente die "hydraulis" als Musikinstrument für Kaiser und Könige. Man weiß, daß Kaiser Nero Orgelspieler war. Damals wurden diese Instrumente nur als Einzelstücke gebaut. Im Jahr 757 n.Chr. erhielt der Frankenkönig Pipin vom byzantinischen Kaiser eine hydraulis als Geschenk. Auch Kaiser Karl der Große wurde mit einer Orgel beehrt, die er, da er sonst keine Verwendung fand, im Dom von Aachen aufstellen ließ, wie alles Wertvolle, das man in Sicherheit verwahren wollte.


Ein alter Fund

Im Jahr 1931 fand man bei Ausgrabungen in der ehemaligen römischen Siedlung Aquincum in der Nähe von Budapest im Schutt eines Hauses die Reste einer Wasserorgel. Die Teile der gefundenen Orgel entsprachen in allen Einzelheiten den Beschreibungen des Hero. Sie liegen heute in einem Museum in Budapest. Man hat voll funktionsfähige Rekonstruktionen dieser Wasserorgel gebaut.


Die Orgel im Mittelalter

Heute ist es selbstverständlich, daß die Orgel als typisches Musikinstrument in die Kirche gehört. Das war nicht immer so. Erst vom 14. Jahrhundert ab hielt die Orgel Einzug in die Kirchen. Sie entwickelte sich von kleinen tragbaren Instrumenten zu monumentalen Werken, die um das Jahr 1500 bereits Pfeifen von 10 - 12 Metern Länge kannte. Manche berühmten Orgelgehäuse aus dieser Zeit stehen noch, so die Schwalbennest-Orgeln in Freiburg und Straßburg.
Schon in früher Zeit waren die Orgelbauer gesuchte Kunsthandwerker, die man von weit herholte. Sie ließen sich dann mit Frau, Kindern und Gesellen in der Stadt nieder, wo sie eine Orgel zu bauen hatten. Die "Werkstatt" wurde meist sogar in der Kirche eingerichtet, wo die Orgelmacher dann 1 Jahr, bei größeren Instrumenten auch 3-5 oder mehr Jahre blieben, bis sie zum nächsten Auftrag in eine andere Stadt zogen. Heute haben die Orgelbauer natürlich ihre Werkstatt an festem Standort, wo sie ihre Instrumente aufstellen können, so daß die Arbeit in der Kirche zum Aufstellen, Intonieren (die Pfeifen klingend machen) und Stimmen nicht mehr so lange dauert.

 

Tradition und Technik des Orgelbauers

Welche Techniken muß der Orgelbauer beherrschen? In erster Linie muß er ein guter Schreiner sein, denn die meisten Teile sind aus Holz gearbeitet. Er verwendet vornehmlich Eichenholz. Landschaftsbezogen werden auch andere Hölzer verwendet. Er braucht Ebenholz (durch und durch schwarzes und hartes Holz) für die Tastenbeläge und Registerknöpfe. Früher wurde auch Elfenbein als Tastenbelag eingesetzt, bis es zur Schonung der Elefanten verboten wurde. Als Ersatz kann man heute auch "Bein" nehmen, das aus großen Tierknochen gewonnen wird.
Der Orgelbauer (oder Orgelmacher, wie man ihn früher nannte) braucht Schaf- oder Ziegenleder zur Abdichtung der Bälge. Die Metallpfeifen werden heute noch wie vor 500 Jahren aus von Hand gegossenen Zinnplatten hergestellt, die gehobelt, zugeschnitten, rundiert und gelötet werden müssen. Er hat dazu auch die Technik, Zinn mit Zinn zu löten, entwickelt.
Der Orgelbauer muß auch Kenntnisse in der Verarbeitung von Eisen haben. Er muß bewandert sein in der Musik, in der Akustik und der Architektur von Kirchenräumen, um seine Entwürfe und Konstruktionen den vielfältigen Gegebenheiten anpassen zu können. Kein Instrument gleicht dem anderen, jede Orgel wird auf den Raum zugeschnitten und der Klang fü diesen Raum eingestimmt.


Denkmalschutz im Orgelbau

Es stehen noch eine Reihe von Orgeln aus alter Zeit, aus Gotik, Renaissance und Barock in manchen ehrwürdigen Gotteshäusern. Aber wie sich die Zeiten ändern, so änderte sich der Geschmack der Menschen, sowohl in der Architektur als auch in der Musik. Man baute lieber ein neues Instrument, als ein altes auf den "modernen" Bedarf einzurichten und umzubauen. Die gerade vergangene Epoche war veraltet und nicht mehr gefragt. Man war stolz, im "neuen Stil" zu bauen. So verschwanden immer mehr alte Orgeln und wurden durch "moderne Instrumente ersetzt. Erst um 1900 besannen sich einige Musikfreunde, berühmte alte Orgel zu erhalten und zu restaurieren. Albert Schweitzer gehörte dazu, dem man damals nachsagte: "In Afrika rettet er Neger, in Europa Orgeln". Erst nach 1945 setzte sich der Schutz alter Orgeln mehr und mehr durch.Der erfahrene Orgelbauer ist heute berufen, diese wenigen alten Orgeln mit der Technik der damaligen Zeit zu erhalten, zu restaurieren, wo Teile fehlen zu rekonstruieren. Es ist eine verantwortungsvolle, aber auch dankbare Aufgabe, schöne alte Orgeln nicht nur im äußeren, sondern auch in ihrem originalen Klangbild wiederherzustellen.

Peter Vier